MS fitnes versetzt berge

ein Reisebericht

Lust auf Frachtertörns – nicht nur zur „blauen Stunde“

Alles Mount ´Fitnes`“, sagt der Wachmann, und zeigt weit ausholend auf die grauen Kegel ringsum. Im gleichen Moment verhüllt eine Wolke aus feucht-staubigem Sprühnebel ihn und den gepäckbeladenen Besucher. Über den Köpfen rattert ein Förderband durch eine monströse Stahlrohrkonstruktion.

Schauplatz Hafen Hamburg-Harburg. Zwischen den dunklen Bergen sticht das helle Brückenhaus eines Schiffes heraus. Der Mann schaut auf den Ausweis und seine ISPS-Kontrollliste: „Aha, Sie sind das! Da drüben liegt Ihr Dampfer!“ „FITNES stellt der sich mit weißen Lettern an blauem Rumpf vor. Angekommen!

Doch wie an Bord gehen, wenn die Gangway eingeholt ist und das Schiff meterweit von der Pier entfernt liegt? Etwa zu spät gekommen? Kann doch nicht sein, wie der Blick auf die Uhr beruhigt. Außerdem platscht aus dem Gummirüssel am Ende des gewaltigen Förderbandes noch pausenlos grauer Stoff auf einen Hügel.

In die Luft gegangen

Noch zweihundert Meter an chaotischen Holzstapeln vorbei, in denen ein Radlader brummend wühlt, und immer an der hochaufragenden Bordwand entlang ist das Heck erreicht. Niemand an Deck zu sehen! Plötzlich ragt ein gelber Schutzhelm über die Kante und ein Arm winkt. „Don´t worry!, ruft ein braunes Gesicht nach unten, „we pick you up with crane and basket!“ Sekunden Später schwebt an einem Stahlsein sirrend ein brusthoher Käfig herab. „Get in with your luggage!“ ruft der Mann. Zweifelnd steht man vor dem kippligen Gerät, das eigentlich für Lasten bestimmt ist, schaut nach oben und überlegt, ob das denn gutgeht. Also elegant über die Brüstung geschwungen und das Gepäck verstaut. Und ab geht die luftig-baumelnde Fracht mit weitem Blick über die Industriehafen- und Hügellandschaft, die gerade von der untergehenden Sonne vergoldet wird und zu einem Scherenschnitt gerät: geradezu romantisch.


Kreuzfahrtstandard zum Wohlfühlen

Wumms, gelandet! Hilfreiche Hände greifen zu, strahlende Philippino-Gesichter ringsum. „Welcome on board FITNES!“, tönt es mehrstimmig. „Lauro Sartorio“, stellt sich der Bootsmann vor und grinst, „I´ll bring you to he captain. Einer seiner Männer hängt sich den Rucksack auf den Rücken. Das Treppenhaus glänzt frisch gewienert.

In seinem Büro tippt Kapitän Mauritz Daten in den Computer. „Schön, dass Sie da sind und willkommen an Bord!“ sagt er zum Empfang und schüttelt die Hand des einzigen Passagiers.

Gegenüber liegt die Eigner-Kabine: hell durch zwei große Fenster mit seitlichem Steuerbord-Seeblick, Teppichboden, großer Schreibtisch mit Stuhl davor, Satelliten-Fernseher mit breiter Programmauswahl, DVD/CD-Player, Kühlschrank (Getränke kann man beim Kapitän günstig ordern), gemütliche Sitzecke, reichlich Schrankraum, ein breites festes Bett und eins hochgeklappt, Bad mit Dusche und WC; Waschmaschinen und Trockner separat).

Kreuzfahrtstandard ist das allemal. Alles noch unbenutzt, weil gerade mal drei Monate alt nach der Schiffstaufe durch die 16-jährige Geschäftsführer-Tochter Johanna van der Meer: fit und jung wie FITNES eben. Da kann man sich die nächste Zeit absolut wohlfühlen.

„Wir sehen uns unten in der Messe“, verabschiedet sich der Master und wirbt für das Dinner: „Toast Torero oder wie wir sagen: begrabene Tomate“. Das sei ein Reederei-Special.


Captains dinner mit Rezept

Im Schiffsbüro warten der Erste Offizier und ein junger Wasserschutzpolizist auf den Neuankömmling. Der Uniformierte verlangt, dass der Passagier auf eine Extraliste gesetzt werde, weil die Registrierung zusammen mit der Crew nicht zulässig sei. Chief mate Almar Sangco rollt mit den Augen. „Wat mut, dat mut!“ kontert der Uniformierte plattdeutsch und lässt seinen Stempel auf die Papiere knallen. Er zeigt sich verwundert, dass man sich die Hamburger Cruise Days entgehen lasse, „da gehe doch ab heute Abend an und auf der Elbe die blaue Post ab!“ Wie bitte?

Am captains table sitzt bereits Kapitän Mauritz, ihm gegenüber der still vor sich hin lächelnde Chief-Ingenieur Junelio Gautier von den Philippinen, in ihrer Mitte der Gast. Cookie, Koch Carlos Bautista, serviert den bereits angekündigten „Torero Toast“. Der geht so, doziert Hobbykoch Mauritz: „Eine Scheibe Graubrot als Basis, dick Leberwurst drauf, garniert mit Gurken und Tomaten, gekrönt von zwei Spiegeleiern. Fertig ist die ´begrabene Tomate`. Guten Appetit!“ Captains dinner, deftig-kräftig-gutbürgerlich, von jetzt an dreimal täglich. Und immer gemeinsam mit der Crew. Da gibt es keinen Unterschied auf MS FITNES.


Dinosaurier an Deck

Währenddessen rauschen die letzten Tonnen Granit-Feinsplitt durch eine Klappe am Boden der Ladeluke 5 auf das darunter rotierende zwei Meter breite Förderband. Die Wände des Laderaums sind schräg und mit Spezial-Teflon beschichtet. „Damit das Material von alleine rutscht“, erklärt Dritter Offizier Gil Dolera, der, vermummt mit einer schützenden roten Gesichtsmaske und Helm, am Lukenrand steht und den Löschvorgang überwacht. Über UKW-Funk gibt er schließlich Anweisung, Klappe und Luke zu schließen. Der Raum, in dem vor zwei Stunden noch 4500 Tonnen Straßenbaustoff gelagert haben, ist besenrein, ohne schweißtreibende Mannarbeit per Besen und Schlauch. Die gewaltige selbstlöschende Bandanlage mit dem schwenkbaren Arm ist unabhängig von kostenintensivem zusätzlichen Personal.

Maximal bis zu 3000 Tonnen pro Stunde können so geladen oder gelöscht werden. Alle 43 Tonnen taucht der Bulkcarrier einen Zentimeter auf oder ab. An Land bleibt eine Bergkulisse von 31.000 Tonnen zurück. „Mit der Menge“, vergleicht Kapitän Mauritz, „könnte man die 160 Kilometer lange Autobahn Flensburg – Hamburg zehn Zentimeter hoch belegen“. Auch werde die in Bau befindliche Ostsee-Pipeline mit dem Stoff von FITNES und ihren Schwesterschiffen im Hafen Saßnitz-Mukran ummantelt.

Das Schiff, klärt er jetzt auf, habe er so pierfern vertäuen müssen, damit der 86 Meter lange Ausleger in die richtige Position zum Lagerplatz an Land gebracht werden konnte. Daher also die ungewöhnliche Luftfahrt.


ACT - von wegen Krise

Im Zeitlupentempo ruckt die 195 Tonnen schwere, an einem Turm auf dem Vorschiff verankerte Förderbandkonstruktion in Mittschiffslage zurück. Wie ein schwerfällig über das Hauptdeck tapsender Dinosaurier.

Der Massengutfrachter ist seeklar und bereit zum Auslaufen. Ein Mann fehlt noch: der Hafenlotse. Doch dann grummelt es durchs Schiff: Die 7300-kW-Hauptmaschine ist angesprungen. Unter den Füßen kribbelt es. Die Leinen klatschen ins dunkle Wasser. Beginn der Reise. Als Passagier ist man immer hautnah dabei, denn die Brücke ist ständig offen. Anders als auf Kreuzfahrtschiffen. Die Vorschriften verbieten das.

Zentimeter um Zentimeter rangiert Frank Mauritz den 175 Meter langen und 26 Meter breiten Koloss wie spielerisch mit dem kleinen Yoystick-Hebelchen rückwärts aus der Hafenbecken-Parklücke in die Süderelbe, dreht ihn dank Bug- und Heckstrahlruder auf dem Teller und schwenkt den bulligen Steven schließlich auf die geöffnete Kattwyk-Brücke zu. Achteraus blockiert ein blau blinkendes Wasserschutzpolizei-Boot den Fluss aus Sicherheitsgründen für das knappe Drehmanöver.

Am ACT, dem Altenwerder-Container-Terminal, brummt es wieder wie gehabt. Krise? „Wir haben gut zu tun“, bemerkt der Lotse mit Blick auf die riesigen Containerfrachter und aufgetürmten Blechkistenstapel. Die Gantry-Kräne singen ihr ewig schrill piepsendes Lied dazu, das sogar die dicken Brückenfenster durchdringt.


Krachender FITNES-Abschied

Weit wölbt sich die Köhlbrand-Brücke über dem Signalmast auf dem Monkey- oder Peildeck.

Doch welche Überraschung: Ihre stadtzugewandte Seite ist blau angestrahlt.

Eine Hafenrundfahrt zur „blauen Stunde“, wie es scheint, denn ganz Hamburg macht an diesem Abend blau. Motto: „Blue Port, Lust auf Seereisen machen!“. Lichtinstallationen an rund 70 hafennahen Gebäuden und Schiffen bilden die künstlerische Kulisse zu den „Cruise Days“, den Tagen der Kreuzschifffahrt. FITNES trägt mit ihrem nachtblauen Rumpf ein Stück dazu bei. Sie indes geht auf eine Kreuzfahrt der besonderen Art – mit nur einem Passagier an Bord, der die außergewöhnliche Show mit 360-Grad-Rundumblick exklusiv genießen kann.

Kurz vor dem Eindrehen in den Elbe-Hauptstrom passiert das „Traumschiff“ von See kommend. Auch MS „Deutschland“ hat Blaulicht angelegt. Auf ihren Decks drängeln sich Partygäste und winken ausgelassen herüber. Dazwischen wieseln auf beängstigenden Kursen Barkassen und Rundfahrtschiffe, auch sie blau in blau kostümiert.

Noch eine Überraschung vor Hamburgs Nobelvorort Blankenese: Feuerwerkskörper explodieren am Nachthimmel, den über dem Michel ein sattgelber Vollmond krönt. Auch im Ostteil des Hafens kracht und böllert es in allen Farben und Formen. Rund 100.000 Zuschauer sind, wie der NDR berichtet, dabei.

„Was für ein Abschied“, sinniert Kapitän Mauritz, „das hab´ ich in über 30 Jahren Fahrtzeit noch nicht erlebt!“ Dann glimmen nur noch die Radarschirme und Überwachungsdisplays. Voraus blinken Leuchttonnen und Richtfeuer, ansonsten herrscht tiefschwarze Nacht ringsum.

Gegen zwei Uhr am Morgen scheint querab Cuxhaven eine schwimmende Stadt auf FITNES zuzuhalten. Die entpuppt sich bald als eine Flotte von Kreuzfahrern mit Kurs Hamburg: „Astor“, „Columbus“, „AIDAaura“, „AIDAblu“ und „Mein Schiff“. FITNES nimmt „cool“ die Parade ab. An der Bordwand von letzterem huscht das schwungvoll geschriebene Riesenwort „Wohlfühlen“ vorbei. Das steht zwar nicht außen an der FITNES dran, ist aber drin. Bei Elbe I steigt um vier Uhr der Lotse ab. Kurs Nord! Abschalten und abtauchen! Wozu die leise vor sich hin grummelnde Hauptmaschine ein Übriges leistet für wohligen Tiefschlaf.


Chief mit zweitem Standbein

Die Nordsee am nächsten Morgen. „Meer erleben!“ ist auch ein Kreuzfahrer-Slogan. Aber dieses Meer gibt sich grau in grau, soweit das Auge reicht. Irgendwie typisch, glaubt man sich bestätigt. FITNES wiegt sich sanft in der schräg von achtern anlaufenden See.

Brückenklönschnack mit dem Dritten bei einem Pott Kaffee. Kapitän Frank Mauritz hockt in seiner Kommunikationszentrale vor dem PC: „Hausarbeit am Monatsende, da stehen mal wieder die Abrechnungen an“, sagt er und lässt seinen Blick zwischendurch auch mal über See und Navigations-Bildschirme schweifen. In der Schiffskasse warten rund 15.000 Dollar zur Auszahlung. Handgeld für die Crew, die ansonsten ihren Lohn an die Familien überweisen lässt.

Lunch time. „Chopp, Chopp!“ erinnert der Dritte Rodel Salas ans Mittagessen. Den Ausdruck verstehen, weil international, alle. Samstags steht wie fast auf allen Frachtern der traditionelle Eintopf auf dem Speiseplan, heute Linsensuppe mit Bockwürstchen.

Chief Junelio Gautier berichtet von seinem zweiten Standbein als philippinischer Unternehmer in Sachen Landwirtschaft, Haus- und Möbelbau. Damit unterhält er seine Großfamilie. Es gebe genügend Helfer, die sich für ihre Appel- und Ei-Handlangerdienste bei ihm verdingen.

Nach dem Essen ist gut ruhen, zumal Wetter, Wochenendbeginn und Bordprogramm wenig Alternativen bieten. Die geschlossene Kammertür signalisiert: Man möchte beim Nickerchen nicht gestört werden, ansonsten gilt von beidem das Gegenteil.


Tea-time untermalt von heißen Rhythmen

Doch kurz nach 15 Uhr klingelt das Telefon: „Tea time!“ verkündet der Kapitän und lädt zum Munterwerden in sein Office. Von jetzt an täglich wie um zehn Uhr vormittags. Auch dieses ein Special des komunikativen und stets gut gelaunten Kapitäns, der gegenüber der Eigner-Kabine wohnt und arbeitet. Das sei praktisch, spare Zeit und Wege. Obwohl er sich auch gern bewege, zum Beispiel regelmäßig abends im FITNESs-Raum auf dem Hometrainer Strampeln. Die Philippinos liefern sich lieber heiße Tischtennis-Kämpfe oder strecken sich mit Gewichten.

Manchmal dröhnen auch heiße Rhythmen aus dem Musikraum neben der Messe. Da trainiert dann die FITNES-Bordband für ihren Auftritt zum Crew-Abend. Die Instrumente übrigens allesamt gesponsert von der Reederei. Ein Novum auf Frachtern.

Beim Crewfest am Abend dominiert allerdings das phillipino-typische Karaoke: reihum einsetzender Sologesang zu schnulzigen Musikfilmen mit Untertiteln und knackigen Bikini-Mädels. Voller Inbrunst und Sehnsucht vorgetragen. Kapitän Mauritz und der Passagier haben Bier spendiert, der Koch in Folie gegarten Fisch.

Die Stimmung steigert sich. Irgendwann kommt Tanzlaune auf bei den braunhäutigen Männern. Alle machen mit, auch der Kapitän – zur großen Freude „seiner Jungs“, die vor Vergnügen kreischen. Das ist Socializing pur oder Führungsqualität gepaart mit Sozialkompetenz. „Das brauchen sie einfach für ihre Motivation während monatelanger Seezeit“, kommentiert Mauritz schlicht die vergnügte Show, „auch einen Kapitän, vor dem sie sich nicht fürchten müssen“. Der Mann, so erlebt man ihn, ist eher eine allseits anerkannte Vaterfigur

Spätabends läuft im Satelliten-Fernsehen auf NDR die Hamburger Cruise-Parade. FITNES ist dabei gewesen – als nicht eingeplanter, aber blauer Exot.


Allrounder plaudert aus dem Nähkästchen

Zum Tee plaudert Kapitän Frank Mauritz auch gern spannend und lebendig aus seinem maritimen Nähkästen: das sind jahrzehntelange Erfahrungen als Trawler- und Seebagger-Kapitän. Und kein Seemannsgarn, wie er betont.

Auch als IHK-geprüfter Datenverarbeitungs-Spezialist verdiente er sich Sporen. „Das hat mir“, so der Allrounder, „immer nur genützt“. Wie er zur Seefahrt gekommen sei? „Durch meine Mutter“, schmunzelt der 58-Jährige aus der Nähe von Wittenberge an der Elbe, „die hat in der Zeitung eine Anzeige entdeckt: Seefahrts-Azubis gesucht. Statt auf einem Frachter landete er in der Hochseefischerei. „Da habe ich nicht nur wertvolle Erfahrungen gesammelt, sondern auch den richtigen Instinkt für schwierige Situationen entwickelt, das A und O an der Schiffsführung“. Eigentlich wollte er Fernsehmechaniker werden.

Zum Abschluss der geselligen Runde zeigt er eine Rarität: den Handy-Film über eine Monsterwelle, das Reederei-Schwesterschiff „Stones“ in der winterlichen Nordsee überschüttete: Über 25 Meter hoch und rund hunderttausend Tonnen schwer. Zentimeterdicker Stahl wurde dabei zerfetzt wie Papier. Den 15.000-Euro Schaden, der von der Reederei zu tragen war, belegen erschreckenden Bilder.

Doch die Nordsee bleibt diesmal friedlich. Gelegenheit für einen ausgiebigen Decksspaziergang mit Förderturm-Besteigung. Wie im Mast eines Großseglers kommt man sich in zwanzig Meter Höhe vor – windgebeutelt, mit Weitblick und maschinengeräuschlosem Wellenrauschen.

 

Norwegische Impressionen

Ausschlafen am Sonntagmorgen? Sieben Uhr, die Maschine rumpelt spürbar rückwärts und lässt FITNES erzittern. Wach! Durch das geöffnete Kammerfenster strömt Waldluft herein: der Duft von Norwegen! Schneller Orientierungsblick nach draußen: Nebelschwaden und tiefhängende Regenwolken wabern über einen von Fichten gesäumten Gebirgskamm in den Boknafjord westlich von Stavanger. FITNES legt am Steinbruch von Jelsa an. NORSK STEIN prangt in Riesenlettern an einer Werkshalle, ringsum graue Granitsplitt-Hügel wie in Harburg. Durch gewaltige Radlader schwer beladene 60-Tonner mit Riesenreifen dröhnen am Ufer entlang und schütten immer neue Hügel auf. Der Bergfuß wirkt aus der Ferne wie angeknabbert. Hier wird Milliarden Jahre altes Urgestein, aus dem das ganze Land besteht, durch Sprengungen abgetragen. „Ein Schatz für uns“, bemerkt der norwegische Seelotse. Er ist an Bord geblieben, „denn die Rückfahrt zu meiner Station am Fjordausgang würde per Auto dreieinhalb Stunden dauern“. Und per Hubschrauber? „Kostet 10.000 Euro“, winkt er ab, „selbst für ein reiches Land wie Norwegen zu viel“. Aber die Gegend um die Provinz Ryfylke sei reich: Erdgasverarbeitung, Aluminiumverhüttung, Erzabbau und billige Wasserkraft.

Aber auch touristisch sei die Gegend sehr gefragt, wie Ferienhäuser am Ufer und auf den walgleichen Schärenrücken demonstrieren. Vergleichsweise preiswert seien hier nur Elektronikartikel.

Im Ladebüro startet Erster Offizier Almar Sagco die Ballastpumpen, von Land aus schwenkt ein Förderband über die geöffnete Luke eins. Sekunden später pladdert die erste Tonne in die Luke. 2999 zeigt das Display über der Steuerkabine an, die Menge, die hier noch aufgefüllt werden muss. Der Dritte Offizier überwacht, mit einer vor Staub schützenden Gesichtsmaske verhüllt, den Ladevorgang. Er gibt dem „Bandleader“ oder zu Deutsch Bandfahrer an Land Handzeichen, wenn der Ausleger geschwenkt muss, damit der Granitgrus gleichmäßig verteilt wird. Zur Tea-time sind schon knapp 3000 Tonnen verstaut. Zum Sonntagsdinner mit Steak, Salat, Eis und Kapitäns-Bedienung sind es noch mal rund 2000 Tonnen mehr. Insgesamt müssen sieben Laderäume befüllt werden, insgesamt 26.042 Kubikmeter oder 33.170 Tonnen.

Die kühle Nachtisch-Portion garniert Frank Mauritz noch mit Eierlikör satt. „Chicken nectar“ erklärt der Kapitän, der Chief grinst verstehend und genießt still vor sich hin.


Begehrter Stoff für Europa

Am Nachmittag klart es auf. „Sie wollten doch Aufnahmen vom Schiff und der Landschaft machen“, erinnert Kapitän Mauritz, „dann lassen Sie sich mal Helm, Rettungsweste, Gummistiefel und Ölzeug vom Chief mate geben“.

Bootsmann Lauro Sartorio fiert das Speedboot per Kran zu Wasser. Mit dem Dritten und einem Matrosen geht es auf Fjord-Erkundungstour. Unterwegs werden nicht nur Fotos geschossen, sondern auch ein Sack Miesmuscheln von den Felsen gekratzt.

Über die Bordwand hängen Angelschnüre. An der Reling schwingen Kapitän und Erster die Ruten: „Damit wir morgen Abend auf See fjordfrische Grill-Makrelen zum Barbecue haben“, verrät Mauritz und frönt weiterhin der touristischen Aktivität Nummer eins in Norwegen. Vier Angeln gehören denn auch wie selbstverständlich zur Bordausrüstung. Am Ende landen ein paar silbrige „Außenbord-Kameraden“ im Eimer an Deck.

Die Ladezeit verzögert sich. Nicht alle gewünschten Granitsplitt-Korngrößen sind sofort verfügbar. Das gerade modernisierte Werk, das zur Mibau-Gruppe gehört, steckt noch in der Umstrukturierungsphase. Aber Europa braucht den harten Stoff. Die sechs gecharterten Hartmann-Schiffe sind dafür im Dauereinsatz. Sie verteilen die begehrten Gesteinsprodukte für Beton-, Straßen-, Deponie-, Gleis- und Wasserbau in über 50 Häfen zwischen Deutschland, Großbritannien, Dänemark, Frankreich, den Niederlanden und Polen.

Immer wieder muss die Crew das Schiff vor- und rückwärts verholen, die schweren Festmacherleinen per Windenkraft aufkürzen oder verlängern. Das an Land stehende Förderband ist nämlich starr, so dass die Ladeluken danach ausgerichtet werden müssen. Das verschafft den Männern eine kurze Nacht. Für den spiegelglatten Fjord, die schwarzen Berge und das graue Himmelstheater mit roten Sonnenlichtflecken haben sie keinen Blick übrig.


Trolle beobachten Großreinschiff

Montagmorgen. Um 07.30 Uhr sind alle Luken dicht. Die Hauptmaschine lässt den 33.000-Tonner erzittern. Leinen los und ein! Auslaufen mit Kurs auf Kiel. „Da geht´s zum ersten Mal hin mit diesem Schiff“, sagt Kapitän Mauritz, „auch anschließend nach Rostock“. Also zwei Premieren mit einer Klappe.

Über dem Boknafjord liegt eine mystische Stimmung: granitgraue Wolken, durch die Sonnenstrahlen brechen. Auf den Bergkämmen scheinen Trolle zu tanzen.

An Back- und Steuerbord zieht die typisch norwegische Urlaubslandschaft vorbei. Rostrote und leuchtend gelbe Holzhäuschen garnieren die Idylle aus Fels-, Wald- und Wasserlandschaft.

Zweieinhalb Stunden später steigt der Lotse querab Stavanger auf das Versetzboot. „Beginn der Seereise“, sagt Frank Mauritz zu seinem Dritten, der die Zeit ins Schiffstagebuch einträgt.

Der Schärengürtel lockert sich, FITNES wiegt sich genüsslich in leichter See, die ein sanfter Nordwest-Wind vor sich her schiebt.

An Deck startet Bootsmann Lauro Sartorio das Programm „Großreinschiff“. Seine Männer rücken mit Schläuchen, Kärcher und Besen an, um Ladungsstaub von Deck zu waschen. Nachdem die Sonne alles getrocknet hat, rückt eine Malerkolonne mit breiten Rollen an und legt in atemberaubendem Tempo los. Innerhalb weniger Stunden glänzt die hellgraue FITNES-Haut geradezu werftfrisch.


Badespaß vorm BBC

An Backbord kontrastiert die tiefgrüne norwegische Küste zum tintenblauen Meer. Zwei Mega-Kreuzfahrtschiffe passieren auf Gegenkurs mit Ziel Stavanger. Auf deren Decks drängeln sich ameisenklein Passagiere. Während man mutterseelenallein auf der weitläufigen Back in der Sonne döst, bewegt einen die Frage: möchte man vielleicht mit denen da drüben tauschen?

Aber, wie stellte schon der Alte Fritz einst treffend fest: Jeder soll nach seiner Fasson selig werden. Was bleibt, ist der ewige Traum vom Meer.

Das hat gerade mal 17 Grad, aber die sommerliche Wärme verlockt zum Bade. „Nichts leichter als das“, lacht Frank Mauritz und gibt das Signal „Wasser Marsch in den Pool!“ 25 Kubikmeter Nordsee gurgeln in das Drei-mal-fünf Meter-Becken. Der Zweite Rodel Salas ist nach seiner vierstündigen Wache schon ganz heiß auf Abkühlung. Mit einem kühnen Fußsprung stürzt er sich in die Fluten. Nur durch einen Sprung zur Seite kann sich sein Kapitän gerade noch so vor der Wasserbombe in Deckung bringen. Aber dann lässt auch er sich animieren. Gemeinsam hat man das Gefühl, durch den Skagerrak zu schwimmen, immer hin und her allerdings nur. Auch ein Spaß für alle Besatzungsmitglieder, die das fröhliche Planschvergnügen wahrnehmen.

Vom Poopdeck wehen verlockende Grilldüfte herauf. Cookie Carlos Bautista hat den Grill angeheizt, denn zum Dinner steht BBC an oder: ein zünftiges Barbecue. Knusprige Shrimps, Hühnerkeulen, Würstchen, Steaks und Muscheln werben um die Gunst der hungrigen Mäuler. Die Tische biegen sich unter der Last der Party-Salate.

Kapitän Mauritz ruft nach alter Seefahrertradition, weil alle Manöver geglückt sind, „Besanschot an!“, und die Gamle-Dansk-Gläser klirren. Passend dazu rauscht in schöner Schräglage an Steuerbord der Kieler Dreimast-Toppsegelschoner „Thor Heyerdahl“ unter Vollzeug vorbei. Ein Vorgeschmack auf die Hanse Sail in Rostock-Warnemünde am kommenden Wochenende. Zu heißen Boxenklängen toben sich die Männer unterm Freifallrettungsboot aus.

Als die Sonne geradezu kitschig glutrot in der milden Nordsee versinkt, haben achtzehn Mann reinen Tisch gemacht. Dann glühen nur noch die Reste der Grillkohle.


Im dunklen Loch am „Tor zur Ostsee“

Sonniges Dienstagmorgen-Bad vor der jütländischen Ostküste. Die BBC-Folgen sind wie weggeblasen.

15 Uhr: voraus ein Filigran, die Brücke über den Großen Belt. Endlose Kolonnen von Fernlastern rollen über das Stahlband zwischen den Inseln Seeland und Fünen, mit 2694 Metern die längste Hängebrücke Europas. 1320 LKWs wären nötig, um die Ladung der FITNES zu transportieren, eine Schlange von rund 24 Kilometern! FITNES fährt auch nach dem Slogan: „From road to sea“ und hilft den totalen Kollaps auf den Straßen zu vermeiden.

An Backbord inzenieren ein Küstenwachboot und ein Marine-Hubschrauber eine Rettungsübung. Der Rotor knattert im Luftstand und hüllt die beiden Partner in haushohe Gischtwolken ein, während von oben nach unten ein Mann abgeseilt wird. Frachter-Unterhaltung auf Dänisch.

Um 20 Uhr liegt das „Tor zur Ostsee“, wie sich Kiel nennt, vor dem Steven. Vom Leuchtfeuer bringt das orangerote Versetzboot „Bülk“ den Lotsen an Bord: ein redefreudiger Berliner aus Köpenick, der sich bald begeistert zeigt von „dem schönen Schiff, das sich optimal fährt“. Ein ehrliches Kompliment von einem Fachmann, der Kapitän Mauritz bis in den Scheerhafen zwischen der Holtenauer Einfahrt zum Nord-Ostsee-Kanal und dem Tirpitzhafen der Deutschen Marine berät. „Was für ein dunkles Loch“, bemerkt Mauritz. Doch die geballte FITNES-Strahlerbatterie hüllt den Liegeplatz in taghelles Licht. Auch hier wieder Hügel, die von 22.00 Uhr bis zum nächsten Morgen um 18.000 Tonnen erhöht werden.


Finale mit Gedrängel und Warnow-Blick

Kurz nach Sonnenaufgang ragt FITNES um ein paar Meter mehr aus dem Wasser und zeigt ihre rote Unterwasserflanke. Auslaufen Kurs Rostock. Wobei wieder ein „alter Hamburger Blue-Port-Bekannter“ passiert: Das ZDF-„Traumschiff“ MS „Deutschland“. „Wie Hase und Igel“, lacht Mauritz.

Die Boten der Hanse Sail, Segelschiffe aller Größen, streben am Mittwoch-Mittag dem Warnemünder Seekanal entgegen. Seelotse Dr. Christian Subklew, Ältermann der Brüderschaft Wismar-Rostock-Stralsund (WiRoSt) steigt auf. Am Kreuzfahrtterminal liegt die „Regatta“, von See dampfen zwei Fähren heran, eine dreht auf der Wendeplatte. Es wird es eng. Subklew kennt das: „Während der Hanse Sail“, bemerkt er, „geht es hier mit den vielen Freizeit- und Traditionsseglern fast chaotisch zu, da könnte man fast von einem Ufer der Warnow zum anderen gehen“. FITNES gleitet gelassen und bei Minimalfahrt in direktem Kurs auf seinen Liegeplatz im Rostocker Seehafen zu. Um 13.45 Uhr ist der blaue Riese vertäut. Ende der passagierfreundlichen Premieren-Reise!

Auch Dr. Christian Subklew verabschiedet sich voll des Lobes. Kapitän Mauritz kann stolz auf Schiff und Crew sein. Nach den Einlaufformalitäten zieht es ihn für ein paar Stunden zu Frau und Haus mit Warnow-Blick: „Muss doch mal sehen, wie weit mein Carport gewachsen ist“.



Infos


MS FITNES: Bauwerft: JJ. Sietas, Hamburg-Neuenfelde; Indienststellung/Taufe: 23.4.2010 (drei Monate vor Termin abgeliefert, 3. Neubau des größten werfteigenen Typs 177 nach den Schwestern „Bulknes“ und Beltnes“, selbstlöschender Bulkcarrier, ausgerüstet mit einem schwenkbaren 86 m langen, 195 Tonnen schweren Boom-Conveyor-Fördersystem; maximale Löschleistung: 3000 t/h); Taufpatin Johanna van der Meer (16), Tochter des Miteigentümers Jos van der Meer; Baunummer: 3011; IMO-Nr.: 9490105; Flagge: St. Johns/Antigua & Barbuda; Reeder: Hans-Jürgen Hartmann, 21782 Cadenberge b. Cuxhaven; Bereederung: HJH Shipmanagement, Cadenberge; Charterer und Miteigentümer: Mibau-Gruppe (Gemeinschaftsunternehmen von Hans-Jürgen Hartmann und der HeidelbergCement AG); jährliches Transportvolumen der Firma mit sechs Schiffen: 10 Mio. Tonnen; Klasse: Germanischer Lloyd GL 100 A5 Bulk Carrier; BRZ: 20.234; Ladekapazität: 33.170 tdw oder 26.000 Kubikmeter; Schiffsgewicht (light ship): 9012 t; Displacement (Schiffsgewicht und Ladung): 42.218 t; Länge: 175,60 m; Breite: 26 m; Tiefgang (max.): 10,82 m; Höhe Kiel-Antenne: 38,80 m; Maschine: Mittelschnellläufer MAK, Typ „8M 43 C“, Leistung: 7300 kW, Geschwindigkeit (max.): 15 kn; vierstrahliger Verstellpropeller, linksdrehend, 4 m Durchmesser; Bugstrahlruder (1500 kW), Heckstrahlruder (950 kW); Besatzung (deutsch-philippinisch): 17; Passagiere 2 (Eigner Kabine mit 2 breiten Doppelstockbetten, Schreibtisch, Sitzecke, 2 Fenstern nach Stb., Tisch, Stuhl, Schränken, DU/WC, Kühlschrank, Satelliten-TV, DVD/CD-Player), Pool, Fitnes-Raum/Tischtennis, 4 Angeln.

 

ZENTRALE

+49 4777 9339-9

 

pdf
Der Artikel zur MS FITNES
in "Welcome Aboard"

 

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